Heute liefert Oma-Liese nur noch kommentarlos die Fotos des Tages ab. Getextet wird dann nachträglich, denn: Heute steppt seit 18:00 der Bär auf dem Campingareal. Es wird gegrillt, ein italienischer Eisverkäufer wurde angeheuert und eine Liveband tut ihr Möglichstes für die gute Unterhaltung der Gäste. Außerdem steht da noch eine riesengroße Feuershale bereit, die wohl erst mit Einbruch der Dunkelheit angefeuert werden soll. Ein ganzer Container voll gefüllt mit Buchenbrennholz soll heute noch im Laufe der Feierlichkeit verfeuert weden. Und das Beste: Alles spielt sich direkt hinter unserem Wohnmobil ab :))
Ich muss meine ganze Aufmerksamkeit jetzt jedenfalls den gebotenen Aktivitäten am Rande widmen. Da ist zum Beispiel eine Gruppe von bis zu sieben Zwergen im Alter von drei bis vier Jahren, die sich rund um die Blumeninsel eine Verfolgungsjagd liefert. Einer der Knirpse scheint momentan seine T-Rex-Phase zu durchleben. Jedenfalls brüllt und schnaubt er ständig mit fürchterlichem Gebaren, sodass ihm schon teilweise sein Stimmchen versagt.
Im Inneren der Blumeninsel beherrrschen die Acht bis Elf-Jährigen die Szene rund um den Brunnen und experimentieren mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Schuhe, um die Wasserverträglichkeit der einzelnen Modelle zu erkunden.
Ab und zu taucht ein Elternteil im bemühten Kümmerton auf und versucht zaghaft Anweisungen an den Mann zu bringen.
Das Repertoire der Band ist unvernünftig umfangreich…
Das Fest ist gut besucht, der Wirt hat reichlich Hähnchen, Haxn, Spießbraten, Brat- und Currywurst und Pommes vorbereitet. Die Speisenausgabe wurde coronasicher geplant, für die Gäste ist das Tragen von Masken eine Selbstverständlichkeit, auch Anwohner wissen die Atmosphäre von Veranstaltungen und das Können des Wirtes zu schätzen. So taucht im Laufe des Abends auch unser Orpinkton-Hühner-Bauer auf. Grüppchen bleiben relativ unvermischt, sodass unbeschwert gefeiert werden kann.
Jeden Mittwoch soll hier während der Hauptsaison ein Grillfest stattfinden.
Am Morgen ist der Grillplatz zügig wieder aufgeräumt. Nach einem Frühstück in vollem Sonnenschein kann ich noch ein Bisschen von der gestrigen Wanderung erzählen.
Durch ein Hochmoorgebiet führt die Schwemmkanalrunde, was wir am Schmetterlingsaufkommen schon bald deutlich merken.
Jede Menge Bläulinge gibt es hier, aber auch den Kaisermantel, der in seinem prächtigen Orange sofort ins Auge sticht.
Pilze wachsen natürlich auch. Zwar nur einige wenige Arten, denn wir befinden uns vorwiegend in einem Fichtenwald. Ein schönes Exemplar der Krausen Glucke oder Fetten Henne soll in diesem Beitrag der einzige Vertreter für die Pilzwelt bleiben.
Nur gut Hundert Meter Höhenunterschied sind auf dem Weg zum Schwemmkanal zu überwinden. Genau die richtige Tour für einen heißen Sommertag.
Der Schwemmkanal wurde 1789 erbaut und diente neunzig Jahre lang dem Transport von Brennholz nach Wien.
Ohne Worte!
Als wir die Schautafel in ihrem maroden Zustand sehen, hören wir uns gleichzeitig das Wort „Schlendrian“ kommentieren. Vaclav Havel stand in Prag gemeinsam mit Alexander Dubček und Jelena Bonner, selbst Menschenrechtlerin und Witwe Andrei Sacharows auf dem Balkon des Bürgerforum am Wenzelsplatz am 22. August 1989 und hielt eine flammende Rede an die dicht gedrängten Menschenmassen zum Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings. Wir standen damals etwa zwanzig Meter entfernt von all diesen Symbolfiguren der Wende und waren einfach nur überwältigt von der Atmosphäre des Aufbruchs. Verstehen konnten wir fast nichts. Aber ein Wort blieb und in Erinnerung: „Schlendrian!“ Für uns war es der Aufruf an sein Volk, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sich nicht treiben zu lassen, sondern eigenverantwortlich den Umbruch voran treiben und gestalten zu müssen.
Dieses Schild weist immer noch Spuren des alten Schlendrian auf.
Irgendwie sind wir in des Kaisers Kleiderkammer geraten. Hier wimmelt es vor Kaisermänteln.