Bourges und Vezelay

Die Nacht verbrachten wir bei extremen Temperaturen in Bourges. Morgen lassen wir das Womo auf seinem Plätzchen stehen und erreichen nach 20 Minuten Fußweg die Kathedrale Saint Etienne, die im Jahre 1195 bis 1324 erbaut worden ist. Hat etwas länger gedauert, war aber auch nicht ganz billig.

Die älteste astronomische Pendeluhr Frankreichs

Vielzählige sehenswerte Fenster sind freilich auch wieder vorhanden aber Oma-Liese zügelt ihre Sammelleidenschaft.

Das war jetzt mal ein kurzer Kathedralenbesuch, obwohl wir doch gut ein Stündchen darin verbrachten.

Etwas Zeit können wir uns noch genehmigen, um einen Eindruck von der Altstadt mitzunehmen:

Auf dem Rückweg zum Campingplatz kommen wir noch an einer Zirkusschule vorbei, die aber für die Kamera nicht viel hergibt. Übrigens schon die zweite Zirkusschule in Frankreich, die wir gestreift haben. Falls also jemand eine Karriere als Akrobat anstrebt…

Vezelay

Wiedermal durch unendliche Kornfelder führt uns der Weg nach Vezelay. Ein kleiner alter Ort mit Geschichte und … Kathedrale. Klingt vielversprechend.

Oje! Wirkt romantisch. Zu romantisch! Wenn sich da mal nicht so viele Touris herumtreiben wie in San Gimignano in Italien oder auf dem Mont Saint Michel…

Kaum Menschen in der Stadt!

Kathedrale Ste-Marie-Madelaine

Das ist das ursprüngliche romanische Portal der Kirche, die im Jahr 1104 geweiht worden war. Das Vorschiff, in dem wir uns momentan befinden, wurde 1145 – 1150 erbaut.

Sofort fällt auf, dass keine bemalten Fenster vorhanden sind. Genauso fällt aber auch auf, dass die Säulen ganz besondere Kapitelle besitzen. Schon hat es die Kamera magisch nach oben gezogen, als der Opa gerade noch erwähnt, die Kirche sei wegen ihrer Kapitelle ein besonderer Schatz. 99 sollen es wohl sein. Die Oma-Liese ist schon bei der Arbeit:

In der Galerie oben ist die „Mystische Mühle“ zu finden, die besonders hervorzuheben ist (kann der Follower bestimmt erkennen).

Ein weiteres hervorragendes Kapitell sind die „Vier Winde“.

Danach folgt die Abzweigung zum Kreuzgang. Mehr kann nicht begangen werden, bzw. mehr scheint auch nicht vorhanden zu sein, wie wir später noch von außen erkennen werden.

Ein paar Details fallen noch auf:

„Eine Handvoll Gutgläubiger und der Teufel“ würde Oma-Liese das Quartett nennen.

Noch einige Kircheneindrücke, bevor es wieder an die Kapitelle geht:

St. Bernard scheint zum Äußersten entschlossen.

Wir steigen hinab in die Krypta, wo sich im Übrigen noch vor wenigen Momenten seltsame Szenen abspielten: Oma-Liese hat durch ein Fensterchen gelugt und eine fehlbekleidete Mademoiselle beim Posen am Altar gesichtet. Wir schauen nach:

Spannungsgeladene Stimmung im Keller: Einige Menschen, auf Bänken sitzend, in der Erwartung, gleich mal einen Blick auf das Reliquiar werfen zu können. Direkt vor dem Objekt der Begierde stehend eine Madame, versunken in meditativer Abwesenheit, ganz eins mit dem Magdalenen-Knochen. Oma-Liese ergreift die Initiative und tritt neben die Vergeistigte, steckt ihr Objektiv durch das Gitter, um die Magie wenigstens digitalisieren zu können. Die Wirkung tritt prompt ein und erweist sich als effektiv: Das Reliquiar ist mit dem Ertönen des Auslösers wieder frei für alle Gläubigen zu besichtigen. Völlig entrückt schwebt die Geläuterte barfüßig von dannen.

Oma-Liese bemerkt zum Opa: „Jetzt hob is derlaist.“ worauf der Opa nur meint: “ Hätt‘ ses net so locker g’sehn, mit dem Ehebruch, hätt’s net vor d‘ Magdalena hinstehn müssn.“

Wir tauchen wieder auf aus dem Untergrund.

Die Kapitelle sind noch nicht vollzählig!

Ergreift der gerade die Flucht?

„Der Gute Hirte“, den erhängten Judas auf seinen Schultern tragend, auf einer der höheren Säulen dargestellt, sorgt in der Gegenwart für Diskussionen, selbst Papst Franziskus hatte zuletzt für Aufregung in Fachkreisen mit seiner gewagten Deutung der Darstellung gesorgt.

Den „Tanz um das goldene Kalb“ und „David gegen Goliath“ kann man finden. Außerdem viel Hauens und Stechens. Rein christliche Szenen, wie man als Insider weiß.

Schöne Beschläge, guter Kunstschmied.

So, mehr hab ich nicht. 99 werden’s nicht sein, denn die ganz schlichten habe ich ausgelassen, aber nachgezählt habe ich auch nicht. Es sind viele.

Noch einmal ein Blick aufs ursprüngliche Portal oben und zuletzt der Schwenk vermutlich zu den Baumeistern:

Zur Abrundung spazieren wir noch um die Kathedrale herum, wobei wir so manches Motiv entdecken:

An dieser Stelle verzehren wir einen erfrischenden Imbiss, wobei der Opa einige Fakten über Vezelay hervorzaubert: Von diesem heiligen Ort aus wurden nämlich der zweite und der dritte Kreuzzug ausgerufen. 1146 rief Bernard von Clairvaux (der in der Kirche mit dem Dolch droht) den zweiten Kreuzzug aus, den dritten beschlossen dann 1190 Philippe II. und Richard Löwenherz. Außerdem hatte 1166 Thomas Becket hier einst den Bannfluch über seinen König Heinrich II. ausgerufen. Ein geschichtsträchtiger Ort.

Wir fahren jetzt noch weiter nach Montbrand, wo der Opa gestern einen Platz für uns reserviert hat. 30 € kostet die Nacht mit Strom und Wasser direkt auf jedem Platz, Eintrittskarte fürs Freibad inclusive. Die Plätze sind durch Hecken gut voneinander abgetrennt. Viele alte Bäume spenden angenehmen Schatten, was Wohnmobilisten in diesen heißen Zeiten zu schätzen wissen.

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