Lunéville – das Versailles von Lothringen

130 Kilometer Richtung Westen von Straßburg aus liegt Lunéville. Wiedermal ein dem Schloss von Versailles nachempfundenes Anwesen lockt in den Reiseführern vor allem mit seinem Park. Mal sehen.

Wer ist der Reiter mit dem etwas zu groß geratenen Mützchen auf dem Haupte? Aha, Lasalle! Unbestritten, an Dynamik fehlt es dem Reiterstandbild nicht:

nicht von vorne,

und schon gar nicht von hinten.

Der Park spiegelt Weitläufigkeit vor, ist aber in Wahrheit doch sehr begrenzt, was wir an den PKWs ablesen können, die gut erkennbar für das menschliche Auge im Hintergrund zumindest in einer Richtung vorbeirollen.

Dennoch besitzt die Anlage Erholungswert, da kaum eine Menschenseele anzutreffen ist. Zugegeben, eine Grundschulklasse stellt sich im Augenblick unseres Erscheinens der Herausforderung eines Gruppenfotos, was aber derart ruhig und diszipliniert vonstatten geht, dass man sich vor der französischen Lehrkraft nur verneigen kann. Oma-Liese und der Opa erinnern sich an die Schulklassen heute Vormittag im Straßburger Münster, wo die Ruhe in der Erwartung des Uhrenschlages schon genauso auffällig war. Auch danach war im Gotteshaus von ausgelassener Stimmung bei den Kindern nichts wahrzunehmen.

Was machen die Franzosen nur richtig?…

Im Park haben rostige Tiere ihr Areal,

… genauso wie die üblichen Park-Statuetten in weiß.

Beim Blick zurück zum Schlösschen gibt der Wind gerade das Aussehen der Flagge preis:

Außerdem zeigt sich das Häuschen bei der Gelegenheit auch ganz passabel:

Ein Flügel fehlt halt noch…

Wer sich da so anschmachten lässt? Wissen wir nicht. Können wir auch nicht herausfinden.

Ein Theater finden wir noch beim Stadtrundgang

… und eine Kirche: Saint Jacques.

Gegenüber der Kirche: Verfall, wie auch sonst in der gesamten Stadt.

Im hinteren Bereich keine Orgel, sondern

… eine Loge für die Herrschaft, den Herzog von Lothringen, der im Übrigen in seinem Herrschersitz bei einem Brand sein Leben lassen musste.

Kaum eine Menschenseele in der Stadt unterwegs, fast kein Straßenverkehr (außer wenn wir gerade eine Straße überqueren wollen. Denn dann sind immer gleich 5er-Kolonnen unterwegs, die wir passieren lassen müssen. Danach wieder nur wir.) Verlassene Häuser, verlassene Ladengeschäfte, kein Bäcker, kein Metzger, kein Frisör, nur die Schilder aus vergangenen Tagen. Sogar Tattoo-Studios stehen leer. Eine Ausnahme bildet der Notar: Er scheint ein relativ großes Büro zu betreiben und ein Schönheitssalon für die lieben Haustiere scheint auch nach wie vor ganz gut zu florieren.

Saint Nicolas de Port

Im kleinen Vorort von Nancy soll eine besondere Kirche die Sehenswürdigkeit sein. Das Kirchenschiff ist mit einer Höhe von 32 Metern im Inneren das höchste in Frankreich. Wir schauen mal nach.

Der Rathauschef verfügt über eine moderne Sprechanlage für den Fall, er hätte mal Wichtiges zu verkünden. Cyberattacken hat er jedenfalls nicht zu befürchten.

Bleibt nur zu hoffen, dass Familie Storch im Falle des Falles nicht vom Dach gepustet wird.

Die Kirchturmspitzen kommen in Sicht. Schmale Gassen, liebevoll geschmückt verkürzen uns den Weg.

Jeanne d’Arc spielt im Ort wohl eine Rolle.

Kaum Platz für eine ordentliche Prozession scheint man hier übrig gelassen zu haben, so eingepfercht wie St. Nicolas an dieser Stelle erbaut worden war.

Wieder die Freiheitskämpferin.

Auffällig ist die Rechtskurve, die das Gotteshaus macht. Im Foto gar nicht wirklich so gut zu erkennen.

Teilweise noch gut erhaltenen Fenster mit ganz viel Blau und der französischen Lilie.

Die Ablasskasse steht unverschlossen da. Allerdings hat wohl schon mal jemand versucht, sie mit Gewalt wegzutragen, wie man den Rissen im Gestein ansehen kann.

Der Rettungsplan zeigt die Krümmung der Basilika perfekt.

Wer hat sich wohl in der Säule verewigt? Ein Handwerker oder gar ein übermütiger Jugendlicher? Gab’s die denn vor 300 Jahren auch schon?

Erfreuliche Leichtigkeit vermitteln die Seitenaltäre.

St. Nicolas bietet zwei Gebete zur Auswahl an.

Jeanne d’Arc hat sich hier wohl auch schon Unterstützung gesucht.

Für einen Euro soll sich an dieser Tür irgendetwas abspielen. Der Opa kramt im Portemonnaie und wird fündig. Oma-Liese hält die Linse dicht an die Glasscheibe (leider mit Finger- und Stirnfett besudelt) und tatsächlich: der kleine Sichtschutz hebt sich.

Zum Vorschein kommt der Kirchenschatz. Unter anderem ist in dem kleinen Kämmerchen die Reliquie von St. Nicolas ausgestellt.

In der (zum Glück mit zwei Fingern) gen Himmel zeigenden Hand befindet sich das Reliquiar.

Links ist das rechte Ohr vom Opa zu erkennen und im nächsten Bild unten…

Kaum sind die Bilder im Kasten, setzt ein kleiner Mechanismus die Jalousie in Gang und der Blick ist wieder versperrt.

Wir umkreisen die Kirche, wobei der Bogen nochmals sehr deutlich zu erkennen ist. Auf den Fotos kommt die Besonderheit leider nicht zur Geltung.

Das ist also das neue Ersatzkreuz auf dem Turm.

Der zerrupfte Haufen Reisig auf einem Reiter scheint das Werk eines verzweifelten Junggesellen zu sein, der selbst nicht so recht zufrieden mit deiner Arbeit zu sein scheint.

Das kleine Städtchen ist schnell abgelaufen und so kommt Oma-Liese noch zu einem Foto mit der Kirche und derer puren Mächtigkeit, die der Baumeister seinem Werk einst zugedacht hatte.

Auch hier wieder Leerstände und Verfall. Die Blumenpracht an den Brücken zur Stadt erscheinen wie Makulatur in einem unaufhaltsamen Prozess des Untergangs einstiger lebendiger Stadtkultur.

Sogar die Störche wirken etwas verwahrlost, was aber auch den hochsommerlichen Temperaturen von stolzen 33°C gezollt sein mag.

Am späten Nachmittag in Nancy angekommen freuen wir uns über einen gepflegten Campingplatz, wo wir unser Lager mit viiiieeeel Abstand zu den anderen Campern aufschlagen können.

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